Süßwasser Berichte
Fluorocarbonmaterialien beim Karpfenfischen Teil 2.
Einfach gut!
Wer kennt sie nicht, die komplizierten Rigs zum Karpfenfischen? Macht man jeden Trend mit, quillt die Tacklebox bald über und man findet eine Vielzahl an verschiedenen Vorfachmaterialien darin. In der Regel sind das Kombinationsmaterialien mit unterschiedlichen Eigenschaften wie zum Beispiel, schnell sinkend, langsam sinkend, schwebend, armored, extreme abrasion resistent, camo silt matt finish usw. Die Liste lässt sich endlos verlängern.
Häufig werden dabei verschiedene Vorfachmaterialien mit speziellen Knoten miteinander kombiniert. Als Sahnehäubchen kommen dann noch kleine Ringe, Miniwirbel, Schrumpfschläuche und „Kicker“ an den Haken, um die Hakeigenschaften zu optimieren.
Alle diese Rigs mögen ihre Daseinsberechtigung haben und es gibt sicher Gewässer an denen diese speziellen Set Ups erforderlich sind, um überhaupt Karpfen zu fangen. Das sind jedoch häufig Tageskartengewässer oder Paylakes im Ausland, die einem sehr starken Befischungsdruck ausgesetzt sind. Weil die Fische in diesen Gewässern rund um die Uhr mit Hakenködern konfrontiert werden, sind sie sehr gut „trainiert“ darin sich nicht zu haken oder den Haken wieder loszuwerden. Hier machen diese ausgeklügelten Montagen unter Umständen Sinn.
Wer trotzdem wild entschlossen ist, diese Rigs zu benutzen und bereit ist relativ viel Geld für die unterschiedlichen Materialien auszugeben, sollte aber wissen, dass diese Hakenmontagen noch einen entscheidenden Nachteil haben: Sie neigen dazu sich beim Werfen, beim Ablegen mit dem Boot und durch Weißfischattacken zu verheddern. Und was gibt es Schlimmeres, als nach einer ruhigen Nacht ohne Biss eine vertüdelte Montage einzukurbeln?
Deshalb verwende ich schon seit Langem und fast ausschließlich Maxima Fluocarbon als Vorfachmaterial. Entscheidend ist für mich der geringe Aufwand beim Binden, die preisgünstige Herstellung und die Gewissheit, dass die Montage gestreckt am Gewässergrund ankommt. Weitere Vorteile gegenüber geflochtenen Materialien sind die Unsichtbarkeit unter Wasser und die spezielle Dehnbarkeit des Fluorocarbons. Meine Tacklebox habe ich deshalb von den geflochtenen Materialien befreit und nehme in der Regel nur noch zwei 25m Spulen Maxima Fluorocarbon in 0,41 und 0,44 mm mit an das Wasser.
Wie bereits im ersten Teil berichtet, finde ich diese beiden Schnurstärken am besten zum Herstellen von Fluorocarbonrigs geeignet. Wobei ich für 90% meiner Fischerei das 41er Material verwende. Auf das 0,44er Material greife ich nur bei stark verkrauteten Gewässern und bei „hook and hold“ Angelsituationen zurück. Mehr zum Thema idealer Vorfachdurchmesser könnt ihr weiter unten lesen.
Welche Knoten kommen zum Einsatz?
Jetzt wird es wirklich einfach, denn für alle Schlaufen verwende ich einen einfachen Schlaufenknoten. Wichtig ist es diesen Knoten wirklich nur einfach auszuführen und nicht(!) zweimal durch die Schlaufe zu gehen. Außerdem muss die Fluorocarbonschnur vor dem Zusammenziehen des Knotens immer(!) befeuchtet werden.
Mit diesem Knoten kann man das Vorfach auch problemlos zum Beispiel direkt mit einem Wirbel oder Quick Link verbinden.
Vorsicht ist bei der Verwendung von sogenannten Quick Change Swivels geboten. Ist die Öffnung des Quick Change Swivels sehr eng und muss die Fluorocarbonschlaufe deshalb mit sehr viel Kraft über die engste Stelle gezogen werden, kann das zur Beschädigung des Fluorocarbonmaterials und in der Folge zu Schnurbruch führen. Wie bereits im ersten Teil erwähnt reagiert das Fluorocarbonmaterial sehr empfindlich auf Oberflächenbeschädigungen. Hier hilft es, die Öse so weit aufzubiegen, dass die Schlaufe ohne zu Scheuern und ohne großen Kraftaufwand in die Öse gezogen werden kann.
Der Haken wird mit einem knotenlosen („no knot“) Knoten an ein relativ langes Vorfach gebunden. Auch das Haar besteht aus Fluorocarbon und wird durchgebunden. Hier kann man mir ja Faulheit unterstellen und fragen warum ich kein weiches Haarmaterial verwende.
Ganz einfach: Bei meinen Experimenten mit unterschiedlichen Haarmaterialien habe ich festgestellt, dass mit weichen Haaren der Fisch häufig „irgendwo“ im Maul und auch außerhalb des Fischmauls gehakt werden. Mit dem relativ steifen Fluoro-Haar sind die Fische meistens mittig in der Unterlippe gehakt, also dort wo der Haken am besten hält.
Grundsätzlich bevorzuge ich ausbalancierte Montagen. Das sind häufig Snowmann Montagen oder mit Pop-Up Foam ausbalancierte Bodenköder. Optimal ist es dabei, wenn die Hakenmontage mit dem Köder gerade so untergeht („critically balanced“).
Als Hakenmodelle kann ich relativ kleine Curv Shank Haken zum Beispiel von Korda in Größe 8 empfehlen oder den Hayabusa H.BIL 288, dieser ist vergleichbar in Größe 6 zu empfehlen.
Der Line Aligner ist bei dieser Form der Montage quasi schon eingebaut und es entfällt das Anbringen von Schrumpfschläuchen oder Kickern, um den Hakwinkel ausreichend aggressiv zu machen.
Welche Länge sollte das Vorfach haben?
Auch bei der Vorfachlänge hilft es meiner Meinung nach etwas gegen den Strom zu schwimmen
und relativ lange Fluorocarbonvorfächer zwischen 30 und 40 cm zu verwenden. Gerade in Gewässern mit starkem Befischungsdruck, hat mir das schon manchen Ausnahmefisch an den Haken gebracht.
Hakenköder mit langen Vorfächern sind wesentlich beweglicher, wenn sie von den Karpfen angesaugt oder „angewedelt“ werden. Die Fische haben gelernt, dass die Hakenköder mit kurzen Vorfächern relativ unbeweglich sind und sich nicht wie die freien Köder verhalten. Die langen Vorfächer dagegen erlauben es den Fischen den Köder aus größerer Entfernung anzusaugen und dann werden sie den Haken wegen der Steifheit des Materials nicht mehr los. Hört sich nach einem Widerspruch an, funktioniert aber trotzdem hervorragend.
Ein anderer Vorteil langer Fluorocarbonrigs ist der Puffereffekt des Materials im Drill.
Welchen Einfluß hat der Durchmesser des Fluocarbonmaterials auf die Fängigkeit?
Aber wie sieht jetzt die optimale Kombination aus Durchmesser und Tragkraft bei Fluorocarbonmaterialien aus? Für mich persönlich stellt das 0,41er Maxima-Fluorocarbon bei richtiger Handhabung jedenfalls die beste Kombination aus Steifheit und Tragkraft dar.
Ich versuche das mal mit meinen ganz persönlichen Erfahrungen zu begründen:
02.30 Uhr die Karpfen beißen wie verrückt. Irgendeine meiner drei eng beieinander liegenden Ruten läuft fast im Stundentakt ab. Meine vorgebundenen Rigs gehen zur Neige und weil ich keine Lust habe mitten in der Nacht einen neuen Haken zu binden, beschließe ich
eine fast baugleiche Montage zu verwenden. Einziger Unterschied: Anstatt des 41er Maxima Fluorocarbons habe ich dieses Rig mit der 44er Variante des gleichen Materials gebunden. Was jetzt passiert, hätte ich so nicht erwartet. Während die beiden anderen Ruten weiter Karpfen fangen, liegt diese Montage über 24 Stunden ohne Aktion auf dem bis dahin fängigsten Platz. Als ich das 44er Rig gegen ein baugleiches 41er Rig austausche, läuft die Rute nach 20 Minuten wieder ab! Jetzt will ich es genau wissen und steige auf einer der anderen Ruten auf das dickere Vorfachmaterial um. Auch diese bis dahin fängige Rute liegt plötzlich wie tot. Zufall? Meines Erachtens zu viel Zufall auf einmal!
Auch wenn diese Erfahrungen unter Umständen gewässerspezifisch sind, zeigen sie doch deutlich, dass - wie so oft beim Fischen - Kleinigkeiten über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. In diesem Fall war der richtige Durchmesser des Vorfachmaterials entscheidend. Es lohnt sich deshalb durchaus mit den Vorfachstärken zu experimentieren.
Leider kann man die Erfahrungen mit diesem Fluorocarbonmaterial nicht pauschal auf alle anderen Fluorocarbonmaterialien übertragen. Materialien mit gleicher Tragkraft müssen nicht den gleichen Durchmesser und vor allem nicht die gleiche Flexibilität oder Steifheit aufweisen.
Wenn ihr auf der Suche nach einem fängigen und trotzdem preisgünstigen Vorfachmaterial seid, solltet ihr auf jeden Fall einen Versuch mit Maxima-Fluorocarbon wagen.
Tight Lines
Rolf